Minggu, 01 Juni 2014


Obwohl vordergründig Musik als reine Zeitkunst und transitorisch, d. h. vorübergehend erscheint gegenüber den statisch-dauerhaften Raumkünsten Malerei, Bildhauerei, Zeichnung, Grafik und Architektur, so ist sie doch von deren räumlichen und nicht-zeitlichen Vorstellungen geprägt und hat sie ebenso mit ihren Anschauungen von Zeitlichkeit und Proportion beeinflusst. Begriffe wie „Tonraum“, „Klangfarbe“ oder „Farbton“, „hohe/tiefe“ Töne und „helle/dunkle“ Klänge und ähnliche Synästhesieausdrücke, die Doppeldeutigkeit von „Komposition“ im musikalischen Denken und in dem der Bildenden Kunst gehören zum allgegenwärtigen Beschreibungsvokabular. Die Erfahrung, dass eine akustische Wirkung wie Nachhall oder Echo sich erst im Zusammenhang mit dem Raum einstellt, gehört zum Urbesitz des Menschen. Es sind seit den frühesten theoretischen Auffassungen Parallelen zwischen akustischen und räumlich-visuellen Kunstformen benannt worden.

Auch hinsichtlich der kunstgeschichtlichen Epochen gibt es Gemeinsamkeiten zwischen der Musik und den visuellen Künsten, etwa im Zusammenhang mit der Zeit des Barock. Da sich keine klare Abgrenzung der Epochen vornehmen lässt, werden jedoch die Begriffe Formenlehre (Musik) und Kunststil verwendet.
Musik und Architektur
Ferruccio Busoni
Iannis Xenakis (1975)
→ Hauptartikel: Musik und Architektur

Zeichenprozess

In einer metaphysischen Universalität, wie sie Charles S. Peirce für den Prozess der Semiose formuliert, d. h. für das Zusammenwirken von Zeichen, Objekt und Interpretant, können die musikalischen Zeichen verschiedenen Seinsweisen angehören. Im ontologischen bzw. phänomenologischen Rahmen sind oder erscheinen sie in verschiedenen Kategorien analog einer transzendentalen Deduktion: als Seiendes, ikonisch oder indexikal als Träger einer Funktion bzw. in einer auf den Menschen bezogenen Dimension, als Symbol jenseits der menschlichen Dimension, schließlich als Transzendentes.
Ding an sich     Sein und Funktion     Sein und Bedeutung     Bedeutung ohne Sein
Quarte als Oberton     Temperierte Quarte auf dem Klavier     Quarte als Tonchiffre (z. B. als Monogramm a–d für „Antonín Dvořák“ in dessen 6. Sinfonie)     Quarte in der Sphärenharmonie
Vogelgesang in der Natur     Nachgeahmter Vogelgesang als Lockruf     Vogelgesang als Natursymbol, z. B. in Beethovens 6. Sinfonie     Vogelgesang am Tag des Jüngsten Gerichts als Zeichen der Versöhnung (in Mahlers 2. Sinfonie)
Ludwig van Beethoven: 1. Sinfonie, 4. Satz?/i. Die Tonleiter steigt Stufe für Stufe an, der Komponist baut Spannung auf: Er lässt den Hörer lange im Unklaren über die Tonart.

Nicht alle Erscheinungen oder Kunststrukturen erreichen die Stufe der Transzendenz; sie ist nur die letzte denkbare Stufe, zu der der Prozess der Semiose tendiert. Die Kategorisierung ist dabei nie statisch zu betrachten, Zeichen können im musikalischen Kontext, d. h. im Zeitfluss ihre Qualität ebenso wechseln oder ihnen eine andere Funktionalität verleihen. So nimmt der Hörer am Beginn des Schlusssatzes von Beethovens 1. Sinfonie eine asemantische Tonfigur auf, die immer auf demselben Grundton beginnt und mit jedem Neueinsatz weiter ansteigt; die „Tonleiter“, die zunächst nicht in ihrer Tonart bestimmt ist, da sie sowohl Tonika- als auch Dominantbezug haben kann, wird mit dem Einsetzen des rascheren Haupttempos als motivischer Bestandteil des ersten Themas funktionalisiert. Diese Zuordnung kann der Hörer jedoch aus dem Höreindruck nur im Nachhinein leisten, so dass er den